- genetischer Fingerabdruck
- genetischer Fingerabdruck,alle Methoden der Identifizierung einer Person anhand von persönlichkeitsneutralen Merkmalen der Erbsubstanz (eigentlich: DNA-Typisierung). Die menschliche Erbsubstanz (DNA) weist Merkmale auf, die in ihrer Kombination nur in einem einzigen Menschen zu finden sind und die ihn daher, außer bei eineiigen Zwillingen, eindeutig identifizieren können. Es lassen sich dabei praktisch alle biologischen Spuren, das heißt alle Gewebe, untersuchen.Individualidentifizierungen von Personen werden v. a. in kriminalistisch-rechtsmedizinischen Zusammenhängen eingesetzt, etwa zur Prüfung von Tatortspuren. Findet sich in einer biologischen Spur (Blut, Sperma, Haare, Speichel, Haut, auch Hautzellen beispielsweise in Harn oder unter Fingernägeln) derselbe genetische Fingerabdruck wie in einer Vergleichsprobe (früher Blut, inzwischen Speichel) einer verdächtigen Person, so können Person und Tatort einander zugeordnet werden. Dasselbe gilt für Zuordnungen von Tatorten zu Tatorten (bei Serientaten) und von Personen zu Personen (biologische Spur an zweiter Person).Ein weiterer Anwendungsbereich für DNA-Typisierungen sind Verwandtschafts-, v. a. Vaterschaftstests. Weil die Erbsubstanz eines Menschen jeweils zur Hälfte vom biologischen Vater und der biologischen Mutter stammt, kann durch DNA-Typisierung und DNA-Vergleich z. B. die Abstammung des Kindes bestimmt werden. Verwandtschaftsprüfungen sind auch über mehrere Generationen hinweg, auch nach Ausfall einzelner Personen, möglich. Sie werden außerdem zunehmend in der Tierzucht (v. a. bei Hunden und Rindern) eingesetzt.Auch im Arten- und Naturschutz kommt die Methode zum Tragen, da moderne genetische Fingerabdrücke artspezifisch sind. Auf diese Weise kann man z. B. Hühnerblut an einem Messer von Menschenblut unterscheiden. Hühnerblut ergibt bei der Untersuchung von längenveränderlichen DNA-Abschnitten (STRs) des Menschen kein Ergebnis. Wirtschaftlich wichtig ist u. a. die Erkennung von umdeklariertem Walfleisch, etwa von Finn- und Buckelwalen, die seit den 1980er-Jahren nicht mehr getötet werden dürfen. In der Lebensmittelprüfung werden auch angebliche Delikatessfleischsorten (etwa Emufleisch) oder angebliche Shrimps durch DNA-Typisierung auf ihren (unerlaubten) Gehalt an Schweine-, Rind- oder Fischgewebe untersucht.Im Bereich der Verhaltensforschung dienen genetische Fingerabdrücke dazu, Sozialstrukturen und damit verbundene Verhaltensweisen (z. B. Fütterungen scheinbar fremder Artgenossen) aufzuklären. Dabei stellt sich u. a. heraus, dass auch monogame Tierarten eine konstante Rate »außerehelicher Geburten« aufweisen.Da die Erbsubstanz eines Individuums in allen kernhaltigen Zellen identisch ist, ergibt deren Typisierung stets denselben genetischen Fingerabdruck.Die experimentelle Erstbeschreibung genetischer Fingerabdrücke stammt aus dem Jahr 1985 (Arbeitsgruppe Alec Jeffreys, Universität Bristol) und wurde noch im gleichen Jahr erstmals in der Praxis eingesetzt, um einen Einwanderungsfall nach Großbritannien zu prüfen (Verwandtschaftstest). Die Ermittlung der Längenunterschiede (Polymorphismen) an persönlichkeitsneutralen, in Grenzen veränderlichen DNA-Bereichen (Loci) erfolgte hier nach dem gezielten Zerschneiden genomischer DNA (RFLPs, Restriktionslängenpolymorphismen). Die dabei entstandenen DNA-Bruchstücke unterscheiden sich von Mensch zu Mensch in ihrer Länge und wurden in einem Gel im elektrischen Feld sortiert. Das lieferte nach weiterer Behandlung ein Muster dünner Streifen, einen klassischen genetischen Fingerabdruck.Etwa seit 1992 werden deutlich kürzere, ebenfalls längenveränderliche DNA-Abschnitte (STRs, short tandem repeats) untersucht. Dabei genügen wesentlich geringere Mengen an Ausgangsmaterial (ab etwa zehn Pikogramm - auch zerbrochener - DNA), z. B. aus einem einzelnen Haar.STR-Bereiche der DNA werden vor der eigentlichen DNA-Typisierung mithilfe der Polymerasekettenreaktion in beliebiger Menge kopiert; deshalb können auch winzigste Spuren noch untersucht werden. Die nach dem Kopieren erhaltenen DNA-Stücke werden in einem Gel aufgetrennt und erzeugen dort farbige Linien, die je nach Darstellungsart als Banden oder Peaks bezeichnet werden.Etwa seit 1996 wurde die Untersuchung von DNA aus Mitochondrien (mtDNA) mittels Sequenzierung (Darstellung der Basenabfolge) für rechtsmedizinisch-kriminalistische Anwendungen entwickelt. Dabei werden nicht mehr die Längenunterschiede von DNA-Abschnitten, sondern Veränderungen einzelner Basen (Nucleotidpunktmutationen) untersucht.Auch STRs auf dem nur bei Männern vorhandenen Y-Chromosom sind etwa seit 1999 zur statistisch eigenständigen DNA-Typisierungsmethode entwickelt worden. Die Darstellung Y-chromosomaler Polymorphismen ist nur bei Männern anwendbar und dient daher nur der Individualidentifikation oder der Verwandtschaftsprüfung zwischen Männern.Der Erbsubstanzfaden besteht zu 96 % aus nicht codierender Information (so genannte Introns), die keine Gene sind, also keine Informationen über den Bauplan des Körpers oder die Psyche verraten. Von den Hunderten dieser von Mensch zu Mensch unterschiedlich langen DNA-Sequenzwiederholungen werden in der Regel zwischen fünf und zwölf untersucht. Selbst wenn zwei Menschen durch Zufall Ähnlichkeiten in einigen dieser untersuchten DNA-Bereiche aufweisen, zeigen die anderen Bereiche Unterschiede auf.DNA-Typisierungen ergeben entweder einen Ausschluss oder einen Einschluss in Bezug auf die verglichenen genetischen Fingerabdrücke. Ausschlüsse haben grundsätzlich eine Aussagesicherheit von 100 %. Einschlüssen liegt die Übereinstimmung von untersuchten DNA-Orten zugrunde; je mehr DNA-Orte dabei in die Untersuchung einfließen, desto höher wird der statistische Wert, der sich als Einschlusswahrscheinlichkeit ergibt. Ein Endwert von 1 : 200 000 bedeutet dabei, dass unter 200 000 Menschen jeweils einer denselben genetischen Fingerabdruck hat wie die untersuchte Person beziehungsweise Spur. Kriminalistisch kommen in der Regel nicht beliebig viele Personen als Spurenleger in Betracht, was dazu führt, dass auch Werte von 1:10 000 bereits oft genügen, um den Spurenleger bei einer begrenzten Zahl von Verdächtigen zu ermitteln (Beispiel: drei Verdächtige bei einer Tat in einem geschlossenen Raum). Inzwischen sind Einschlusswahrscheinlichkeiten von 1 : 5 Milliarden (das heißt »eine Person aus allen auf der Erde lebenden Menschen«) durch erhöhten Untersuchungsaufwand problemlos erzielbar.Die der DNA-Typisierung zugrunde liegende Statistik nutzt so genannte Allelhäufigkeits-Datenbanken. In diesen sind voll anonymisiert genetische Fingerabdrücke von Stichproben der untersuchten Bevölkerungsgruppe gespeichert. Mittlerweile gibt es solche Datenbanken für Hunderte verschiedener Regionen und Ethnien auf der Erde. Es ist dabei auch mit bösem Willen nicht möglich, die DNA-Muster jemals ihren Trägern zuzuordnen, weil hier nur reine Allelbezeichnungen ohne persönliche Informationen erfasst werden.Einige zukünftige Entwicklungen und Fortschritte für den rechtsmedizinischen Einsatz von Typisierungen nicht codierender DNA sind gegenwärtig schon absehbar. Innerhalb der nächsten Jahre werden technische Verbesserungen vor allem zu immer kleineren Apparaten, insbesondere zu DNA-Chips, führen, auf denen Hunderte (statt bislang Dutzende) von DNA-Proben innerhalb von Minuten (statt Stunden) aufgetrennt werden können.Die vorhandenen Datenbanken werden weiter ausgebaut und ermöglichen somit eine wesentlich häufigere und raschere Identifizierung biologischer Spuren von Fundorten. Eine europaweite oder internationale Vernetzung dieser Daten ist nicht in Sicht.DNA-Typisierungen sind inzwischen so zuverlässig, dass sie vor Gericht nicht mehr angegriffen werden. Die bestehenden rechtlichen Regelungen werden zurzeit in Richtung eines sinnvolleren Einsatzes genetischer Fingerabdrücke angepasst, das heißt, eine raschere Aufnahme der DNA-Profile in Datenbanken und ein weniger starrer Richtervorbehalt. Die strengen Rahmenbedingungen (unter anderem § 81 e bis g StPO vom September 1998) regeln in Deutschland, dass biologische Proben nach sechs Monaten zu vernichten sind, danach dürfen nur noch die Typisierungsergebnisse gespeichert werden. Auch diese müssen nach festgelegten Zeiten gelöscht werden. In den meisten europäischen Ländern dürfen DNA-Typisierungen nur für solche Personen erstellt werden, denen im Fall einer Verurteilung eine Haftstrafe ab etwa ein bis zwei Jahren droht (in Deutschland bei Verdacht auf eine Straftat von erheblicher Bedeutung, beispielsweise Vergewaltigung, Terrorismus, Menschenhandel, Mord, Kinderpornographie). Persönlichkeitsprofile sind illegal und können mittels genetischer Fingerabdrücke nicht erstellt werden.
Universal-Lexikon. 2012.